Die Farben des Wasserstoffs, Teil 3: weiß

Immer mehr Vorkommen an weißem Wasserstoff werden gefunden. Noch sind viele Fragen offen. Grafik: Adobe Stock/Laurent Truchel/Reisen

Muss die Farbpalette des Wasserstoffs seit dem vergangenen Jahr neu geschrieben werden? Es gibt jetzt nicht mehr nur grünen, grauen, türkisen oder blauen Wasserstoff. Weiß ist die neueste Farbe.

2023 haben Forscher größere Vorkommen an natürlichem Wasserstoff in Frankreich in Lothringen gefunden. Gesucht hatten sie eigentlich nach Erdgas und dann einen Wasserstoffanteil festgestellt, der mit zunehmender Tiefe steigt. In 1.100 Metern Tiefe lag er bei 15 Prozent. „Da wurde uns klar, dass wir möglicherweise ein ungeahntes Vorkommen an weißem Wasserstoff gefunden hatten“, wird der Geochemiker Philippe de Donato von der Université de Lorraine Anfang August 2023 auf der Fachplattform chemie.de zitiert.

Anfang diesen Jahres teilten Forscher der Universtät Grenoble mit, dass unter der Erde in Albanien rund 200 Tonnen natürlicher Wasserstoff pro Jahr entstehen sollen, wie unter anderem das Portal H2News berichtet. In das rund einen Kilometer tief gelegenen Becken mit heißem Wasser strömt kontinuierlich Gas mit einem Anteil an natürlichem Wasserstoff von 84 Prozent. Mittlerweile suchen und finden immer mehr Länder weltweit weißen Wasserstoff.

Wasserstoff-Fund in Albanien. Foto: Laurent Truche, Professor of Energy and Mineral Resources, Université Grenoble Alpes

Ein Weg, der sich lohnt

„Wenn ich ihn haben könnte, dann würde ich ihn natürlich direkt benutzen“, sagt der Jülicher Wasserstoff-Forscher Andreas Peschel, der als Professor den Bereich für Prozess- und Anlagentechnik für chemische Wasserstoffspeicherung am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) leitet. „Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre …“ lautet ein Spruch, der deutlich macht, dass zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit fast immer ein weiter Weg liegt. „Ein sehr weiter Weg. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, wenn wir uns auf den Weg machen“, betont Andreas Peschel.

Gleichzeitig hält er fest, dass natürliche Vorkommen keinen Kurswechsel in Forschung, Entwicklung und Umsetzung bedeuten sollten. „Nach heutigem Stand gehe ich davon aus, dass wir mit Blick auf den Klimawandel schon längst gehandelt haben müssen, bevor weißer Wasserstoff dem Markt in signifikanten Mengen zur Verfügung steht. Falls das jemals der Fall sein wird.“

Wie gesagt, es ist ein weiter Weg. „Wir wissen noch längst nicht verlässlich, wie viel weißer Wasserstoff verfügbar gemacht werden kann. Bisher gibt es nur erste Erkenntnisse über die Reinheit des Wasserstoffs in den unterirdischen Quellen und damit über die Notwendigkeit von möglichen Reinigungsverfahren. Es ist noch unklar, wie tief unter der Erde die Quellen sind und wie tief wir bohren müssen. Erst wenn das alles positiv beantwortet ist, wird es signifikante Investitionen in das Thema geben“, beschreibt Andreas Peschel die Wenn-Fragen, die nachhaltig beantwortet werden müssen. „Aufgrund der hohen Investitionen in die Förderung des weißen Wasserstoffs wird dieser auch seinen Preis haben und nicht umsonst sein.“

Nach heutigem Stand gehe ich davon aus, dass wir mit Blick auf den Klimawandel schon längst gehandelt haben müssen, bevor weißer Wasserstoff dem Markt in signifikanten Mengen zur Verfügung steht. Falls das jemals der Fall sein wird.“

Prof. Andreas Peschel

Prof. Andreas Peschel Foto: Forschungszentrum Jülich/Limbach
Lange ein Fabelwesen wie Nessi oder der Yeti

Warum weißer Wasserstoff lange wie Nessi oder der Yeti war – also ein nie nachgewiesenes Fabelwesen –, ist recht schnell beantwortet. Die Mineralöl- und Gaskonzerne haben ihn nicht gesucht. Sie hatten es auf Erdöl und Erdgas abgesehen. Optimisten reden schon von einer neuen Art des Goldrauschs. Skeptiker monieren, dass die bisher entdeckten nutzbaren Vorkommen viel zu klein sind, um einen Unterschied zu machen.

„Weißer Wasserstoff kann das Portfolio der Wasserstoffwirtschaft möglicherweise bis 2050 ergänzen. Er wird grünen oder blauen Wasserstoff aber nicht ersetzen. Wir sollten offen sein für verschiedene klimafreundliche Formen der Wasserstoff-Gewinnung“, sagt Andreas Peschel.

Denn der Bedarf steigt. Als die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung im vergangenen Jahr neu gefasst wurde, lag der jährliche Bedarf in Deutschland bei 55 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Für das Jahr 2030 ist die Strategie ausgelegt auf bis zu 130, für 2045 auf mehr als 350 TWh. Natürliche Vorkommen könnten helfen, das Ziel besser zu erreichen. Letztlich aber zählt, wie viel emissionsarm hergestellter Wasserstoff zur Verfügung steht, egal, ob er blau, grün oder weiß ist.

Speicher sind wichtig

Grüner Wasserstoff wird mit Elektrolyse hergestellt, die dafür notwendige Energie ist grüner Strom. Bei der Herstellung von grauem Wasserstoff, der heute noch vorherrschenden Art, die Schritt für Schritt aus dem Markt gedrängt werden soll, wird klimawirksames Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt. Blauer Wasserstoff ist wie grauer Wasserstoff, nur dass das CO2 aufgefangen und gespeichert wird.

Jede Wasserstoff-Farbe benötigt Speicher- und Transporttechnologien, die damit ein wichtiges Forschungsfeld bleiben. „Wie bei vielen fossilen Energieträgern ist es auch beim Wasserstoff so, dass die Orte, an denen er gewonnen wird, nicht die Orte sind, an denen er benötigt wird. Daher brauchen wir Technologien für Speicherung, Lagerung und den Transport. Das gilt für alle Farben des Wasserstoffs“, erklärt Andreas Peschel. Dies sind die Themen, an denen sein Team und er am INW forschen. Sollte sich in den kommenden Jahren herausstellen, dass es viele Quellen mit weißem Wasserstoff gibt und diese die Verfügbarkeit deutlich erhöhen, dann heißt es für das INW: jetzt erst recht. Denn je schneller die Wasserstoffwirtschaft mit ihren Facetten Erzeugung, Gewinnung, Lagerung, Speicherung, Transport und Verbrauch ausgerollt wird, desto schneller entsteht eine Wirkung im Kampf gegen die globale Erwärmung.