Die Wasserstoff-Zukunft der Binnenschifffahrt

Da schippern die Curiosity und die Courage dem Kölner Dom und der Zukunft der Binnenschifffahrt entgegen. Foto: HGK

Der Rhein steckt schon im Namen: Das Rheinische Revier ist aktuell das größte Braunkohleabbaugebiet Europas und es soll zum größten Klimaschutz-Projekt Europas werden. Das passiert, wenn die Braunkohle bis 2030 Schritt für Schritt als Energieträger wegfällt und neue Technologien etabliert werden, die das Klima nicht mehr belasten. Der Rhein soll dabei zu einem weithin sichtbaren Symbol für klimaneutrale Energiewirtschaft und klimaneutrale Transportmöglichkeiten werden. Wasserstoff spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Führendes Binnenschifffahrt-Unternehmen

HGK Shipping, das größte Binnenschifffahrtsunternehmen Europas mit einer Flotte von rund 350 Schiffen und knapp 1000 Mitarbeitern, gehört hier zu den Vordenkern. Das wurde deutlich, als das Unternehmen jetzt die neuen Schwesterschiffe TMS Courage und TMS Curiosity getauft hat. Die zwei Chemietanker sind ab sofort im Auftrag des Werkstoffherstellers Covestro auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen im Einsatz.

„Mit dem neuen diesel-elektrischen Antrieb sparen wir schon jetzt 30 Prozent CO2-Emissionen im Vergleich zu konventionellen Schiffen ein“, sagte Steffen Bauer, der Chief Executive Officer der HGK Shipping. Bei beiden Schiffen, sowie bei allen neuen HGK-Schiffen, haben die Schiffsbauer Platz gelassen für die Zukunft. Es gibt an Bord zwei Leerräume, in denen neuartige Wasserstoff-Antriebe installiert werden können.

„Das ist ein äußerst interessantes Vorhaben mit großem Potenzial”

Prof. Peter Wasserscheid

Prof. Peter Wasserscheid (2.v.l.) bei einer Gesprächsrunde im Rahmen der Schiffstaufe,
an der Seite von (v.l.) Dr. Caspar Paetz (Hydrogenious), Ferdinand Rammrath (Covestro)
und Steffen Bauer (HGK). Foto: Forschungzentrum Jülich/Jansen

Das ist geplant, wie Bauer und Dr. Caspar Paetz, der Chefentwickler bei Hydrogenious LOHC Technologies, im Rahmen der Schiffstaufen erklärten. Die beiden Unternehmen haben eine gemeinsame Absichtserklärung verfasst, ein Forschungsprojekt anzugehen, das zeigen soll, wie die Binnenschiffe mit im LOHC gespeicherten Wasserstoff betankt und angetrieben werden sollen. „Das ist ein äußerst interessantes Vorhaben mit großem Potenzial“, sagt Prof. Dr. Peter Wasserscheid, einer der Vordenker der LOHC-Technologie und Sprecher des Helmholtz-Clusters für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft (HC-H2).

Noch keine kritische Masse

Der Weg sei noch weit, um in der Binnenschifffahrt eine klimarelevante Veränderung zu erreichen, betonte Bauer. Es gebe Ideen wie das angedachte Projekt. Die liegen aber noch in der Zukunft. Zum anderen fehle der Binnenschifffahrt in Deutschland im Moment die kritische Masse. Im Jahr 2021 machte sie rund sieben Prozent der Güterverkehrsleistung in Deutschland aus, die Tendenz ist seit 30 Jahren rückläufig.

Insgesamt hatte der Küsten- und Binnenschiffsverkehr 2022 laut der TH Hamburg einen Anteil von rund einem Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Das meint Bauer mit dem Fehlen einer kritischen Masse.

Der Anteil der Binnenschifffahrt am Gütertransport in Deutschland soll sich ändern. „Bis 2030 sollen es 25 Prozent sein, bis 2050 50. Ich gebe zu, dass das hohe Ziele sind. Aber es drückt aus, dass dieser Verkehrsträger eine wichtige Rolle spielen kann“, schilderte Bauer die Pläne der Europäischen Union. Gelänge es, die Binnenschifffahrt auf klimaneutrale Antriebstechnologien umzurüsten, dann wächst sie mit dem angestrebten Hochlauf in den kommenden Jahren zu einem relevanten Faktor für die Klimaneutralität im Transportsektor.

HGK Shipping reagiert mit seinen neuen Schiffen auf ein am Rhein nachvollziehbares Klimawandel-Problem: die immer häufiger auftretenden niedrigen Wasserstände. Die TMS Courage und die TMS Curiosity sind bei einem Tiefgang von nur einem Meter noch in der Lage, 160 Tonnen Ladung zu tragen.

Die Taufe der Schwesterschiffe Curiosity und Courage. Foto: Forschungszentrum Jülich/Jansen

Steffen Bauer sprach neben dem Antrieb einen weiteren wichtigen Aspekt an, bei dem Wasserstoff für die Zukunft der Binnenschifffahrt eine große Rolle spielen soll: als Transportgut. Wichtige Transportgüter wie Kohle und Öl fallen weg. HGK Shipping habe sich in den vergangenen Jahren zunehmend von diesen Transportgütern entfernt. „Aber für die Branche sind sie immer noch sehr wichtig.“

Wasserstoff und seine Derivate könnten ein solches Transportgut sein, wenn der Bedarf steigt. Genau so wie CO2, das mit Carbon Capture and Storage davon abgehalten werden soll, in die Atmosphäre zu gelangen. Das gebundene Kohlendioxid CO2 kann auf dem Meeresgrund eingelagert werden. Da HGK Shipping auch im Küstenmotorschiffbereich tätig ist, arbeitet das Unternehmen gerade an Angeboten, gebundenes CO2 zu seinen Lagerstätten zu transportieren.

“Bestehenden Infrastrukturen in die grüne Welt hinüberretten”

Zurück zum Wasserstoff und der Methode, mit der der Energieträger aufbewahrt und transportiert werden kann. Peter Wasserscheid machte deutlich, wie wichtig es ist, dass „wir so viel wie möglich unserer bestehenden Infrastrukturen in die grüne Welt hinüberretten. Sie abzureißen und neu zu bauen wäre wirklich töricht.“ Dem schlossen sich Steffen Bauer und Caspar Paetz an. Denn das Wärmeträgeröl LOHC, das in seinen Eigenschaften und in seinen Lager- und Transportanforderungen Diesel gleicht, ist kompatibel mit den bestehenden Infrastrukturen wie Tanklagern, Tank-Lkw und Pipelines. „Wir sehen da großes Potenzial für die Binnenschifffahrt“, sagte Bauer.

Steffen Bauer, CEO der HGK Shipping. Foto: HGK