„Hoch-komplexe Systeme – das können wir“

Prof. Peter Wasserscheid, der Sprecher des HC-H2, erklärt, wie die zukünftige Wasserstoffwirtschaft funktionieren kann.
Fotos: Forschungszentrum Jülich/Jansen

Deutschlands Chance in der Wasserstoffwelt von morgen

Ein simples Massenprodukt herzustellen ist nicht unbedingt die Stärke der Deutschen. „Hoch-komplexe Systeme – das können wir“, sagte Prof. Peter Wasserscheid in seinem jüngsten Vortrag. Damit machte der Wasserstoff-Forscher deutlich, wo Deutschland in der Wasserstoffwirtschaft der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen könnte: beim Entwickeln und Produzieren von komplexen Anlagen wie Elektrolyseuren und Brennstoffzellen beispielsweise. Gesagt hat Wasserscheid das auf eine Frage hin, die einer der Gäste des Hydrogen meet&connect Netzwerktreffens gestellt hat.

Die Netzwerktreffen sind eine Veranstaltungsreihe des Hydrogen Hubs Aachen. Der ist die gemeinsame Wasserstoff-Initiative der Stadt Aachen, der Städteregion Aachen, der Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen.

Wir sind ein Parade-Land für Prozess-Technologien. Wir können das.

Prof. Peter Wasserscheid

Das jüngste Hydrogen meet&connect war ein Heimspiel für Wasserscheid. Er ist der Sprecher des Helmholtz-Clusters für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft (HC-H2). Und in dessen Zentrale im Brainergy Park Jülich war das jüngste Hydrogen meet&connect Netzwerktreffen zu Gast. Die Veranstaltung wandert. Diesmal waren die am Thema Wasserstoff interessierten Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Bereich der IHK Aachen also bei Deutschlands größten Wasserstoff-Infrastruktur-Projekt in Jülich zu Besuch.

Produktionsland Kanada als Beispiel

Dass die Frage nach der Rolle Deutschlands in der zukünftigen Wasserstoffwelt kommen musste, war angesichts von Peter Wasserscheids Ausführungen zu erwarten. Zwar werde Deutschland in Zukunft auch Wasserstoff herstellen können und sollte das auch unbedingt tun, sagte Wasserscheid. „Aber in Kanada beispielsweise ist es realistisch, Wasserstoff für 1,50 Euro pro Kilogramm herzustellen“, nannte der Forscher einen Wert, der in Deutschland nicht denkbar sei. Die Gründe dafür: Kanada ist fast 27-mal so groß wie Deutschland, hat aber weniger als halb so viele Einwohner. Und es gibt enorm viel Potenzial, um regenerative Energie beispielsweise aus Windkraft zu ernten. Beste Voraussetzungen also, um grünen Wasserstoff in derart großen Mengen herzustellen, die in Deutschland nicht darstellbar sind.

Deutschland werde keinen Wasserstoff in andere Länder exportieren, sondern mit der Eigenproduktion einen Teil des Eigenbedarfs decken. Das, was Deutschland in Zukunft nicht selbst herstellen könne, müsse importiert werden. Das war und ist im fossilen Zeitalter auch so. Wasserstoff kann in anderen Regionen der Welt deutlich günstiger hergestellt werden. Deutschland könne aber ein führender Exporteur von Wasserstofftechnologien sein.

Oxidationsreaktor mit beweglichen Teilen – ein Wahnsinn, der funktioniert hat

Wasserscheid bemühte ein sehr bekanntes fossiles Techniksystem. „Denken Sie an einen Oxidationsreaktor mit beweglichen Teilen“, sagte er und fügte hinzu, dass es eigentlich Wahnsinn sei, ein solches Teil zu erfinden und weiterzuentwickeln. Am Beispiel des Oxidationsreaktors mit beweglichen Teilen – einfacher gesagt dem Verbrennungsmotor – werde deutlich, dass komplexe Systeme sinnvoll und rentabel sein können. „Wir sind ein Parade-Land für Prozess-Technologien. Wir können das“, sagte Peter Wasserscheid. Das Rennen, welche Nationen mit Elektrolyseuren und Brennstoffzellen Geld verdienen, sei noch offen. Und Deutschland habe gute Karten. Der Verbrennungsmotor habe das gezeigt. Er sei auch ein Beispiel dafür, dass eine enorm komplexe Technologie in die Breite ausgerollt werden und damit wirtschaftlicher und für den Käufer bezahlbarer werden könne. Dieser Effekt sei auch für Wasserstofftechnologien vorhersehbar.

Peter Wasserscheid nannte einen weiteren wichtigen Bereich der Wasserstoff-Zukunft, den er mit Speicherung, Lagerung und Transport umriss. Damit war er bei dem wissenschaftlichen Schwerpunkt des Instituts für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich angelangt. Das INW bildet den Kern des HC-H2. Es betreibt Grundlagenforschung für Speicherung, Lagerung und Transport von Wasserstoff. Natürlich werde – um im Beispiel zu bleiben – Wasserstoff, der für 1,50 pro Kilogramm in Kanada produzierter wird, mit dem Transport nach Europa teurer.

„Für diese Logistik ist Innovation notwendig, um den Preis möglichst gering zu halten“, sagte Peter Wasserscheid. Diese Innovation soll möglichst aus dem Rheinischen Revier kommen. Das ist ein Ziel des HC-H2. „Wir wollen hier ein Schaufenster für Technologien sein. Wesentlich dabei ist das Ziel, dass die Partner, die mit uns zusammenarbeiten, damit Geld verdienen können.“

Peter Wasserscheid spricht beim Hydrogen meet&connect Netzwerktreffen.

Fördergelder unterstützen den Strukturwandel

Häufig werde er mit der Aussage konfrontiert, dass beim HC-H2 „schon wieder Geld in die Forschung gesteckt wird“. Im Fall des HC-H2 investieren Bund und Land bis 2038 mehr als eine Milliarde Euro. Tatsächlich fließt im Fall des HC-H2 ein erheblicher Teil des Fördergeldes in Forschung, die den Strukturwandel unterstützt. Denn das HC-H2 besteht nicht nur aus Forschung, sondern braucht Betreiber, die die einzelnen Projekte erst ermöglichen. Diese Betreiber sind Partnern aus Industrie, Wirtschaft und Verwaltung. Gemeinsam setzen sie Demonstrationsprojekte auf, die hier vor Ort im Rheinischen Revier innovative Wasserstofftechnologien zeigen. Die Rolle des HC-H2 hierbei: Es sorgt für den innovativen Charakter und es hilft den Partnern dabei, die bereitstehenden Fördergelder zu beantragen. „Am Ende sollen die Partner in der Lage sein, die Anlagen zu vermarkten und so eine Wertschöpfung hier im Revier erzeugen“, beschrieb Peter Wasserscheid.

HC-H2 will ein Beschleuniger sein

Viel Zeit hätten das HC-H2 und das Rheinische Revier nicht. Noch sei das Rennen um die Wasserstoff-Technologien offen und noch gebe es hier einen Vorsprung. Den hatte Deutschland Anfang der 2000er Jahre auch im Bereich Photovoltaik. Heute wird dieser Markt deutlich von China dominiert, weil das Land die heimische Industrie massiv gefördert hat. Und damit kam Peter Wasserscheid zu seiner letzten HC-H2-Botschaft des Abends: „Wir wollen ein Beschleuniger für neuartige Wasserstofftechnologien sein. In einigen Jahren soll der Energieminister Kolumbiens zu uns ins Revier kommen, unsere Demonstrationsprojekte besichtigen und danach sagen: Ich kaufe das, das und das.“

Im Anschluss an den Vortrag besichtigte die Gruppe das Technikum des INW, dessen Innenausbau im Moment läuft. Danach luden die Organisatoren Fabian Müller Lutz und Annadora Voß für den Hydrogen Hub Aachen und Fabian Patzak, Vanessa Düster und Severin Foit für das Team Netzwerk Wasserstoff NRW des HC-H2 die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Austausch bei leichten Speisen und Getränken ein.

Die Gruppe des Hydrogen meet&connect Netzwerktreffens besichtigt die Technikumshalle des INW.