Wasserstoff im Rheinischen Revier

Das Rheinische Revier wird zur Demonstrationsregion für Wasserstofftechnologien. Grafik: alligator-kommunikation

Rund um die Themen Wasser, Strukturwandel und Rheinisches Revier erreichen uns regelmäßig viele Fragen. Unser Gründungsdirektor Prof. Peter Wasserscheid gibt ein paar Antworten.

Wasserstoff

Wann kann Wasserstoff meinen Haushalt versorgen?

Vermutlich zuerst mal nicht. Aktuell und absehbar gibt es Technologien, die besser auf die Bedürfnisse eines Haushalts zugeschnitten sind. Das Beliefern eines einzelnen Haushalts mit Wasserstoff ist kostspielig, weil die Speichertechnologie gemessen am Verbrauch zu mächtig ist. Wasserstoff kann theoretisch Sinn ergeben, wenn große Quartiere versorgt werden. Auch hier gibt es hohe Hürden. Alle Verbraucher müssten zeitgleich auf ein mit Wasserstoff kompatibles System umstellen, was in der Praxis nicht realistisch ist. Denkbar wäre, ein neues großes Quartier mit einer Wasserstoffversorgung zu planen. Angesichts der aktuellen Wirkungs- und Effizienzgrade sind Wärmepumpen und Photovoltaikanlangen auf den Dächern allerdings auch hier besser geeignet.

 

In welchen Bereichen ist Wasserstoff alternativlos? In welchen ist er sinnvoll?

Es gibt eine grobe Faustformel: Je höher, konstanter und langfristiger der Energiebedarf ist, desto besser passt Wasserstoff. Alternativlos ist er beispielsweise in der Produktion von grünem Stahl, für große Schiffe und als Langzeitspeicher, der die Versorgung in Zukunft sicherstellt, wenn zu wenig Erneuerbare Energien produziert werden.

Es gibt weitere Sektoren, in denen sich Wasserstoff und Batteriespeicher sinnvoll ergänzen. Für die meisten Autofahrerinnen- und Fahrer, die täglich durchschnittlich lange Strecken zurücklegen, ist ein batteriegetriebenes Elektroauto in Zukunft die beste Wahl. Erst recht, wenn sie den Strom aus ihrer eigenen Photovoltaikanlage beziehen können. Für Menschen, die regelmäßig sehr lange Strecken zurücklegen und für die der Zeitverlust des Batterieladens schwerer wiegt als die Mehrkosten für Wasserstoff, kann ein Wasserstoffauto durchaus Sinn ergeben. Voraussetzung: Die Fahrtstrecken sind mit Wasserstofftankstellen versorgt. In Deutschland sind rund 110 Tankstellen (86 eröffnet, 25 im Bau, bis November fertig, also bei zeitnaher Online-Publikation bitte wieder 86) verfügbar, die die metropolen Regionen gut abdecken.

Strukturwandel

Was ist das?

Der Begriff Strukturwandel bezeichnet Veränderungen in der wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Struktur einer Gesellschaft oder einer Region. Der Strukturwandel im Rheinischen Revier resultiert aus dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, die Jahrzehnte lang das wirtschaftliche Rückgrat war. Die NRW-Landesregierung hat 2023 beschlossen, dass im Rheinischen Braunkohlerevier bereits 2030 Schluss mit der Braunkohle ist.

 

Was ist das Ziel?

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier hat zwei Ziele: die Energiewende weg von der Braunkohle als Energieträger hin zu einem klimafreundlichen Energiesystem und dem Aufbau neuer Arbeitsplätze, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien entstehen als Gegengewicht zu den wegfallenden Jobs in der Braunkohle.

Das Rheinische Revier, hier mit dem Tagebau Inden und dem Kraftwerk Weisweiler im Hintergrund. Foto: Forschungszentrum Jülich/Jansen

Das Rheinische Revier

Was ist das Rheinische Revier?

Das Rheinische Revier erstreckt sich auf gut 5200 Quadratkilometern links des Rheins rund um die aktiven und ehemaligen Tagebaue und Kraftwerkstandorte. Es besteht aus den Kreisen Heinsberg, Düren, Euskirchen, dem Rheinkreis Neuss, dem Rhein-Erft-Kreis, der Städteregion Aachen sowie den Städten Aachen und Mönchengladbach. Insgesamt leben 2,5 Millionen Menschen im Rheinischen Revier. Das Rheinische Revier ist das größte Braunkohleabbaugebiet Europas. Von den insgesamt 38 Milliarden Euro, die der Bund im Zuge des Strukturstärkungsgesetzes 2020 für die fünf Braunkohlegebiete bis 2038 bereitstellt, entfallen 14,8 Milliarden Euro auf das Rheinische Revier. Mit dem Geld sollen Vorhaben gefördert werden, die neue Wirtschaftskraft und neue Energie-Versorgungssicherheit erzeugen.

 

Wieviel Wegstrecke haben wir im Strukturwandel schon absolviert?

INW-Gründungsdirektor Peter Wasserscheid formuliert das so: „Das Feld ist bestellt, die Pflanzen sprießen schon aus dem Boden. Für die Ernte ist es aber noch zu früh.“ Die meisten der angestrebten neuen Arbeitsplätze sind noch nicht geschaffen worden. Aber mittlerweile wird absehbar, dass die Transformation an Fahrt gewinnt. Immer mehr Bauprojekte sprießen aus dem Boden. Der Software-Gigant Microsoft hat milliardenschwere Investitionen in Rechenzentren für künstliche Intelligenz angekündigt, die im Rheinischen Revier gebaut werden. Der taiwanesische Computer-Konzern Quanta Computer Inc siedelt sich im kommenden Jahr im Jülicher Brainergy Park an. Der Betrieb am neuen Standort soll schon 2025 mit etwa 90 Mitarbeitenden beginnen. Fest geplant ist ein schnelles Anwachsen auf 480 Stellen, mittelfristig seien bis zu 1000 geplant.

Unser Institut ist Ende 2021 mit der Förderbescheidübergabe und zwei Mitarbeitenden gestartet. Mittlerweile arbeiten am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) rund 80  Menschen. Die erste Technische Halle ist in Betrieb, weitere Ausbaumaßnahmen sind geplant. Das INW bildet den Kern des Helmholtz-Clusters Wasserstoff (HC-H2), zu dem auch die weiteren Projektpartner aus Industrie, Forschung und Verwaltung gehören. Das Ziel des HC-H2 ist, in den kommenden Jahren neue Wertschöpfung im Rheinischen Revier zu generieren. Das bedeutet, dass im Zusammenspiel mit dem Projektpartnern neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Der taiwanesische Computer-Konzern Quanta Computer Inc siedelt sich im kommenden Jahr im Jülicher Brainergy Park an. Fotomontage: Brainergy Park/Jansen