Im September 2021 ist der Startschuss gefallen für das Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft (HC-H2). Der Chemieingenieur Prof. Dr. Peter Wasserscheid ist Sprecher des Clusters und der Gründungsdirektor des Instituts für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich, das den Kern des HC-H2 bildet. Im Interview blickt er auf die ersten 18 Monate zurück und gibt einen Ausblick auf die nächsten Ziele des Projekts, das Lösungen für eine klimafreundliche Energiewirtschaft der Zukunft zeigen und neue Arbeitsplätze im Rheinischen Revier schaffen soll.
Knapp eineinhalb Jahre sind seit dem Start des Helmholtz-Clusters Wasserstoff vergangen. Wie fällt deine Bilanz bisher aus?
Peter Wasserscheid: Wir haben unseren Standort im Brainergy-Park in Jülich bezogen mit einem Containerbüro-Dorf, in dem bis zu 115 Personen Platz finden. Und, sehr wichtig: Wir haben mit Andreas Peschel den ersten Institutsbereichsdirektor berufen können. Mit jedem neuen Direktor kommt neue Dynamik ins System. Wir haben eine tolle Administration und Verwaltung aufgebaut, die das weitere Institutswachstum organisiert. Wir sind jetzt gut 40 Personen. Natürlich hat man immer das Gefühl, dass man an der einen oder anderen Stelle schneller hätte sein können. Aber zurückblickend auf die ersten 18 Monate sind wir stolz auf das, was wir erreicht haben.
Was haben die Mitarbeiter des Clusters und du in dieser Zeit gelernt?
Peter Wasserscheid: Dass es viele und zum Teil einander widersprechende Randbedingungen gibt, wenn man mit Steuergeld Strukturwandel vorantreibt und ein großes neues Forschungsinstitut aufbaut. Dieses Regelwerk kennenzulernen und so zu verstehen, dass man innerhalb dieses Regelwerks besonders schnell sein kann – das ist ein Lernprozess. Wir müssen akzeptieren, dass es dieses Regelwerk gibt. Die Regeln, die dafür sorgen, dass jede einzelne Entscheidung transparent, nachvollziehbar und zweifelsfrei sachrichtig ist, stehen oft einer höheren Umsetzungs-Geschwindigkeit entgegen. Das müssen wir lernen, das müssen auch Politik und Bevölkerung im Rheinischen Revier lernen. Es funktioniert nicht, dass man schnipp macht und etwas steht da. Wir müssen nachvollziehbar zeigen, wie wir die Mittel eingesetzt haben und wie wir die Entscheidungen in diesem Zusammenhang getroffen haben. Das macht es langsamer, aber am Ende auch richtig. Diesen Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Qualität zu finden, ist ein Lernprozess, in dem wir jetzt deutlich weitergekommen sind.
Inwiefern beeinflussen die Ukraine-Krise und damit die Energiekrise das HC-H2?
Peter Wasserscheid: Sehr stark. Der Vergleichspunkt im Energiesystem – was kostet russisches Gas – ist weggefallen. Gas ist jetzt sehr viel teurer geworden. Wir importieren verflüssigtes Gas per Schiff aus Amerika oder Katar. Das ist deutlich teurer als vorher das russische Gas aus der Pipeline. Damit sind viele Technologien, die vor zwei Jahren vielleicht noch unwirtschaftlich schienen, im Vergleich zu diesem neuen, teuren Standard, plötzlich wirtschaftlich attraktiv. Und es ergeben sich auch neue Spielräume für nachhaltige Technologien. So hat diese Krise eine Beschleunigung für das Thema Wasserstoff hervorgerufen und es ist viel einfacher geworden, tragfähige Business Cases mit Wasserstoff zu entwickeln.
Wie lauten die Ziele für dieses Jahr?
Peter Wasserscheid: Für uns ist 2023 ein wichtiges Aufbaujahr. Wir sind mit unserem Jumbojet auf der Startbahn und die Beschleunigung hat begonnen. Ich sage bewusst, dass wir noch nicht abheben. Denn unsere eigentliche Aufgabe, Wissenschaft und Technologieentwicklung für den Strukturwandel und die Energiewende zu machen, steht immer noch deutlich hinter der Aufgabe, die notwendigen Infrastrukturen dafür zu schaffen. Das Spannende an diesem Jahr wird, dass wir für die drei noch fehlenden Institutsbereiche die Direktor:innen berufen werden und den Aufbau der Infrastrukturen soweit treiben, dass wir ab 2024 substanzielle wissenschaftliche Beiträge leisten können.
Anfang März beginnt mit Andreas Peschel der erste Institutsbereichsdirektor. Was bedeutet sein Start für das Cluster?
Peter Wasserscheid: Er ist Abteilungsleiter bei der Firma Linde gewesen und in dieser Rolle verantwortlich für Technologieentwicklung, für den Aufbau von Pilotanlagen und für Systemoptimierungen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen rund um Wasserstofftechnologien. Er ist aus meiner Sicht eine absolute Traum-Lösung für diese Professur, die sich mit Prozess- und Anlagenkomponenten rund um die chemische Wasserstoffspeicherung beschäftigen soll. Er verbindet eine extrem fundierte wissenschaftliche Herangehensweise mit der praktischen Erfahrung aus einem Industrieunternehmen. So kann er auch sehr wichtige Beiträge für unsere Demonstrationsregion hier im Rheinischen Revier liefern. Das ist das, was wir uns gewünscht haben: Jemand, der die industrielle Praxis kennt und gleichzeitig den Anspruch hat, hervorragende Wissenschaft zu machen. Getreu dem Helmholtz-Motto: Use inspired fundamental research.
„Dort, wo hohe Leistungen, kleine Energiemengen und viele Speicherzyklen pro Tag notwendig sind, ist die Batterie als Speicher zuhause. Da, wo große Energiemengen und wenige Speicherzyklen pro Jahr gebraucht werden, werden Wasserstofftechnologien die Lösung sein.“