Multi-SOFC: Wasserstoff-Vorzeigeprojekt am Krankenhaus Erkelenz

Jülich/Erkelenz. Das Hermann-Josef-Krankenhaus (HJK) Erkelenz wird zu einem Vorzeigeprojekt für die klimafreundliche Energieversorgung der Zukunft. Die Robert Bosch GmbH und die Hydrogenious LOHC NRW GmbH zeigen am HJK zum ersten Mal die Koppelung neuer Wasserstoff-Technologien in einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung. Das Projekt leistet einen Beitrag zur Energiewende und ist eines der großen Vorhaben im Rheinischen Revier, die mit ihren Forschungsergebnissen zum Gelingen des Strukturwandels beitragen sollen. Das Helmholtz-Cluster Wasserstoff (HC-H2), das aus dem Forschungszentrum Jülich hervorgegangen ist und von diesem nachhaltig getragen wird, koordiniert das Demonstrationsvorhaben.

 

Die Ziele des Projekts mit dem Namen Multi-SOFC sind ein deutlich reduzierter CO2-Ausstoß und eine effizientere Energieversorgung für das HJK. Die Partner wollen bis Ende 2026 die innovative Kombination von zwei neuartigen Wasserstoff-Technologien demonstrieren. Damit soll eine klimafreundlichere und perspektivisch günstigere Lösung evaluiert werden. Es gilt zu überprüfen, ob die Hälfte der Grundlast des Krankenhauses über das Projekt Multi-SOFC abgedeckt werden kann. Das Demonstrationsprojekt soll ein weltweit sichtbares Modell für die künftige Energieversorgung von großen Gebäuden sein. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Multi-SOFC-Vorhaben mit 23,6 Millionen Euro.

Im Mittelpunkt steht das Festoxidbrennstoffzellen-System (SOFC; Solid Oxide Fuel Cells) der Robert Bosch GmbH zur Strom- und Wärmeversorgung. In einer späteren Ausbaustufe ab Anfang 2025 erfolgt die Versorgung der SOFC mit Wasserstoff auf Basis der Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC)-Technologie durch die Firma Hydrogenious LOHC NRW GmbH, einer Tochter der Hydrogenious LOHC Technologies in Erlangen.

Mehr über die LOHC-Technologie finden Sie in der Zusatz-Information weiter unten.

In der Energiezentrale des Erkelenzer Krankenhauses wird eine SOFC-Anlage der Leistungsklasse 100 kW,
die aus zehn Brennstoffzellen-Units besteht, das bestehende Blockheizkraftwerk ergänzen. Es ist die erste Vorserien-Anlage dieser Größenordnung, die Bosch für den Regelbetrieb installiert. Die Anlage soll Mitte des Jahres in Betrieb genommen werden. Die komplette Versorgung des Hauses ist ohne die Neuinstallationen gewährleistet.

In der ersten Projektphase wird das SOFC-System mit Erdgas betrieben. Schon dabei ergeben sich im Vergleich mit dem am HJK vorhandenen und mit Erdgas betriebenen Gasmotor Vorteile: Die SOFC-Anlage erzielt einen elektrischen Wirkungsgrad von 60 Prozent, der Gasmotor erreicht etwa 36 Prozent. Damit emittieren die SOFC-Systeme bei der Stromerzeugung aus reinem Erdgas im Vergleich zum Gasmotor knapp 40 Prozent weniger CO2. Das führt im Falle des Krankenhauses im Dauerbetrieb bereits in der ersten Projektstufe zu einer CO2-Ersparnis von 150 Tonnen pro Jahr.

Die Wärme, die beim Verstromen des Erdgases im SOFC-System entsteht, soll im ersten Schritt zum Beheizen des Krankenhauses genutzt werden. Mit dieser Kombination von Strom und Wärme erreicht ein SOFC-System zu Beginn des Lebenszyklus einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 85 Prozent – und ist damit hocheffizient. Im weiteren Verlauf des Projektes planen die Partner, den Wasserstoff-Anteil im Gasgemisch für das SOFC-System schrittweise zu steigern – und damit weitere CO2-Emissionen einzusparen.

Ab 2025 wird das SOFC-System mit Wasserstoff versorgt, der chemisch an ein LOHC, also einen flüssigen organischen Wasserstoffträger, gebunden wurde: Der in LOHC gespeicherte Wasserstoff wird in einer vor Ort zu installierenden Dehydrierungsanlage von Hydrogenious freigesetzt, um dann in die Brennstoffzelle eingespeist zu werden. Die Wärme aus dem SOFC-System wird zum Hochfahren dieser LOHC-Anlage genutzt und soll in Zukunft auch Energie liefern, die bei der Freisetzungsreaktion des Wasserstoffs aus dem LOHC notwendig ist. Bis dahin wird das System elektrisch beheizt.

Das Projekt in Erkelenz ist das erste mehrerer Demonstratoren, die das HC-H2 im Rheinischen Revier koordiniert. Das Helmholtz-Cluster besteht aus dem 2021 gegründeten Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich und seinen Projektpartnern aus Industrie, Wirtschaft, Kommunen und Forschung. Das HC-H2 soll im Rheinischen Revier neuartige klimafreundliche Wasserstoff-Speichertechnologien zeigen, die weltweit eingesetzt werden können. Das zweite wichtige Ziel ist das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen und neuer Wirtschaftskraft im Revier als Ausgleich für den Ausstieg aus der Braunkohle, der bis 2030 erfolgt.

Der Startschuss ist gefallen: Die Projektpartner haben sich erstmals am Hermann-Josef-Krankenhaus Erkelenz getroffen. Foto: — Forschungszentrum Jülich / Jansen

Zusatz-Information: Die Vorteile der LOHC-Technologie von Hydrogenious

Bei der LOHC-Technologie, die Hydrogenious LOHC NRW in Erkelenz installiert, handelt es sich um eine innovative Lösung zur besonders sicheren und effizienten Speicherung und dem Transport von Wasserstoff. Bei der spezifischen LOHC-Technologie von Hydrogenious wird der Wasserstoff an Benzyltoluol gebunden – ein Thermalöl, das bei Umgebungsdruck und ‑temperatur einfach und sicher gehandhabt werden kann. Auch mit Wasserstoff beladen ist dieses LOHC schwer entflammbar und nicht explosiv, was es unter anderem für den Einsatz am HJK prädestiniert. Darüber hinaus kommt es nicht zum so genannten Boil-Off – es geht also kein Wasserstoff aus dem LOHC verloren. Alternative Methoden ­– wie die Kompression bei hohem Druck oder das Verflüssigen des Wasserstoffs unter Abkühlung auf -253 Grad – sind vergleichsweise energieintensiv und erfordern einen höheren Aufwand, um den Verlust von Wasserstoff zu verhindern und die Sicherheit der Anlagen zu gewährleisten.

Das sagen die Projektpartner

Jann Habbinga, Verwaltungsdirektor des Hermann-Josef-Krankenhauses Erkelenz

Im Klinikbetrieb werden konstant mindestens 92 Kilowatt Strom und 220 Kilowatt Wärme verbraucht. Durch den Betrieb rund um die Uhr haben wir eine konstante Abnahmemenge, die wichtig für das Projekt war. Uns ist es wichtig, einen Beitrag zur Entwicklung von Wasserstofftechnologien zu leisten und wir freuen uns sehr, dass wir Teil dieses Innovationsprojektes sein dürfen.”

Dr. Wilfried Kölscheid, Senior Vice President bei Bosch und verantwortlich für das stationäre Festoxid-Brennstoffzellen-Programm:

Die dezentrale Stromversorgung wird immer wichtiger. Unser Festoxid-Brennstoffzellensystem produziert klimafreundlich und bedarfsorientiert Strom. Damit schaffen wir Versorgungssicherheit für kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser und leisten einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz. Das Projekt in Erkelenz ist eine tolle Möglichkeit, unser SOFC-System erstmals in der Infrastruktur eines Krankenhauses einzusetzen und später den Nutzen des Zusammenspiels mit einer LOHC-Anlage zu demonstrieren.“

Prof. Dr. Peter Wasserscheid, Sprecher des Helmholtz-Cluster Wasserstoff HC-H2

Multi-SOFC ist unser erstes Demonstrationsvorhaben. Wir sind stolz, dass es uns gelungen ist, nur 15 Monate nach unserer Gründung so weit zu sein. Wir wachsen nicht nur an unserem Stammsitz im Brainergy-Park in Jülich, sondern auch mit unseren Demonstrationsprojekten im Rheinischen Revier. Das Projekt ist ein wichtiger Meilenstein, weil wir im Revier mit unseren Partnern zum ersten Mal großskalig eine Technologie demonstrieren, die weltweit eine Lösung sein kann für die klimafreundliche Energieversorgung von großen Gebäudekomplexen.“

Dr. Caspar Paetz, Chief Technology Officer Hydrogenious LOHC Technologies

Als Pionier im Bereich Liquid Organic Hydrogen Carrier ist es für uns von zentraler Bedeutung, die möglichen Synergie-Effekte in der Praxis zu demonstrieren. Das Projekt in Erkelenz ist ein eindrucksvoller Beleg für das große Potenzial, das in einer Verbindung innovativer Wasserstoff-Technologien steckt. Gleichzeitig ist es für uns eine großartige Gelegenheit, klimafreundliche Energieversorgung in NRW zu demonstrieren. Unsere Bereitschaft, sich nachhaltig in der Region zu engagieren, wird nicht zuletzt durch die Gründung unserer Unternehmenstochter Hydrogenious LOHC NRW GmbH deutlich.“

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