Die Farben des Wasserstoffs, Teil 4: pink

Grafik: Adobe Stock/Reisen

Pinker Wasserstoff: Atomstrom für die Elektrolyse?

Die politische Entscheidung steht: Deutschland produziert keinen Atomstrom mehr, seit die letzten drei Kernkraftwerke Emsland, Isar-2 und Neckarwestheim-2 vor zwei Jahren abgeschaltet wurden. Im Bundestagswahlkampf Anfang des Jahres war Atomkraft erneut Thema – mit Forderungen nach Wiedereinstieg, der Prüfung eines solchen oder einem klaren Nein.

Atomstrom färbt auch Wasserstoff, im übertragenen Sinn. Denn Wasserstoff, der per Elektrolyse mit Strom aus Kernkraft gewonnen wird, wird pinker Wasserstoff genannt. Der Vorteil: weniger klimawirksame Emissionen im Vergleich zur Elektrolyse mit Strom aus fossilen Trägern, die grauen, braunen oder schwarzen Wasserstoff ergibt.

 

Trotzdem ist pinker, in Deutschland produzierter Wasserstoff aktuell kein Faktor. Denn wie die Vorteile liegen auch die Nachteile in der Stromquelle selbst: „Bei uns spielt das keine Rolle, weil Deutschland entschieden hat, aus der Atomenergie auszusteigen“, sagt Prof. Andreas Peschel, Direktor am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) des Forschungszentrums Jülich. Selbst eine Rolle rückwärts wäre schwer: Die drei zuletzt abgeschalteten Reaktoren wieder ans Netz zu nehmen, ist technisch kaum machbar. Wenn die Entscheidung dazu jetzt fiele, vergingen wohl mehrere Jahre, bis wenigstens Emsland, Isar-2 und Neckarwestheim-2 wieder Strom liefern.

Gemessen am Energiebedarf wäre das nicht viel. Im letzten vollen Betriebsjahr 2022 waren es laut statistischem Bundesamt sechs Prozent der Bruttostromerzeugung. Auf dem Höhepunkt Ende der 90er Jahren kamen bundesweit 30 Prozent des Stroms aus Kernenergie. Gemessen am damaligen Stromanteil am Gesamtenergiebedarf (17 Prozent) lag der Anteil der Kernenergie 2000 bei rund fünf Prozent, 2022 nur noch bei 1,14 Prozent. Ein umfassender Neubau von Atomkraftwerken wäre nötig, um wenigstens die fünf Prozent von damals zu erreichen.

Stromkosten domieren den Wasserstoff-Preis

„Wo sollen die neuen AKWs hin? Es gibt Diskussionen über sogenannte Small Modular Reactors (SMR), also besonders kleine Anlagen. Auch die müssten stark gesichert werden. Das bedeutet, dass sie vermutlich da gebaut werden, wo sie möglichst wenig Menschen stören. An diesen Orten gibt es aber vermutlich auch keinen nennenswerten Strom- und Wasserstoffbedarf. Also muss der Wasserstoff, der hier produziert wird, transportiert werden, was die Kosten steigert. Dass bedeutet, dass der Wasserstoff, der mit Atomenergie produziert wird, sehr teuer wird“, schildert Andreas Peschel.

Nicht nur, weil der Aufwand für den Wasserstoff höher ist. Sondern vor allem aufgrund des höheren Preises für Atomstrom. „Das ist sehr relevant, denn der Preis von Wasserstoff, der aus der Elektrolyse gewonnen wird, wird von den Stromkosten dominiert. Selbst dann, wenn wir dort den Wirkungsgrad steigern, weil wir auch die Wärme in den Prozess einbeziehen, sehen wir in der Wasserstoff-Produktion mit Atomstrom keine Quelle, die etwas positiv verändert“, beschreibt der Jülicher Wasserstoff-Wissenschaftler. Denn Atomstrom ist wesentlich teurer als Strom aus erneuerbaren Quellen. Ganz besonders beim Neubau.

Für die Energiewende brauchen wir jetzt Lösungen mit guter Umweltbilanz und guter technischer Umsetzbarkeit – und das ist grüner Strom.“

Prof. Andreas Peschel

Prof. Andreas Peschel Foto: Forschungszentrum Jülich/Limbach

Deshalb sei der Ausbau Erneuerbarer nötig, etwa Offshore-Windparks mit konstanter Windverfügbarkeit. Von dort könne Wasserstoff per Untersee-Pipeline abtransportiert werden. „Das ist günstiger und nachhaltiger – ohne Endlagerproblematik und Sicherheitsrisiken.“

Ein für allemal vom Tisch ist das Thema Kernenergie nicht. Das zeigt nicht nur der Wahlkampf, sondern auch die vielen Meldungen von geplanten SMR-Anlagen. „Vielleicht werden sie irgendwann günstiger, wenn sie in großer Zahl gebaut werden. Aber das liegt in weiter Ferne. Für die Energiewende brauchen wir jetzt Lösungen mit guter Umweltbilanz und guter technischer Umsetzbarkeit – und das ist grüner Strom“, sagt Andreas Peschel. Und daraus folge automatsch, dass mit Blick auf die Zeitskala der Umsetzbarkeit grün die beste Farbe für Wasserstoff sei.

Atomkraftwerke müssen möglichst permanent laufen

Auch aus einem anderen Grund.  Atomkraft passt nicht zur Logik der Erneuerbaren . „Wir brauchen Technologien für Zeiten mit wenig Wind und Sonne. Auch dafür sind Atomkraftwerke nicht gut geeignet. Sie müssen möglichst permanent laufen, damit sich die hohen Investitionskosten amortisieren. Sie sind viel zu teuer, um nur dann einzuspringen, wenn zu wenig Wind weht und zu wenig Sonne scheint“, beschreibt Andreas Peschel. Mit Blick auf die Lösung schließt sich der Kreis: Batterien tragen in Zukunft viel Last und für besonders große Mengen an zu speichernder Energie Wasserstoff, der nicht teuer und pink sein kann, sondern möglichst günstig und so schnell wie möglich grün.